Die eigenständige Pflege eines geliebten Menschen zu übernehmen ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe und kann für Angehörige schnell zum Full-Time Job werden. Deshalb ist die richtige Unterstützung und Planung von großer Wichtigkeit.
Wer zählt überhaupt als Angehöriger?
Ein Großteil der Pflege in Deutschland lastet auf den Schultern von Familienangehörigen, da viele Menschen auf Hilfe angewiesen sind aber nicht in einem Pflegeheim wohnen möchten. Meistens übernimmt in diesem Fall ein Angehöriger oder Familienmitglied die Pflege zu Hause. Laut Robert Koch Institut pflegen 6,9% der Erwachsenen regelmäßig eine pflegebedürftige Person. Demnach gibt es derzeit etwa 4,7 Millionen pflegende Angehörige in Deutschland.
Zu den pflegenden Angehörigen zählen im Sinne der Pflegeversicherung nicht nur enge Verwandte wie Eltern, Geschwister, Kinder, Onkel und Tante, sondern auch Nachbarn und Bekannte. Als Angehörige bezeichnet man in diesem Kontext also Personen, die sich emotional und moralisch zur Pflege verpflichtet fühlen.
Risiko der Überforderung von Angehörigen
Angehörige müssen physisch und psychisch gesund sein, um die Pflege zu übernehmen. Auch die Wohnsituation muss für eine Pflege zu Hause ausgelegt sein. Oftmals sind bauliche Anpassungen oder die Entscheidung einer barrierefreien Wohnung für pflegebedürftige Personen unumgänglich.
Rund 70% der Pflegenden fühlen sich in der Tätigkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt überfordert. Wer nach einiger Zeit nicht die Notbremse zieht und etwas unternimmt, kommt schnell an seine eigenen Grenzen. Die tägliche Belastung kann nicht nur körperliche Auswirkungen haben, sondern auch psychische wie Depressionen und Burnout.
Finanzielle Unterstützung für Angehörige
Neues zum Entlastungsbetrag
Auch wenn die Unterstützung vor Ort wichtig ist – Pflege kostet Geld. Mit dem Entlastungsbetrag erstattet die Pflegekasse bis zu 125 Euro monatlich. Der Entlastungsbetrag kann für verschiedene Angebote eingesetzt werden, wie z.B. Betreuungsangebote oder Angebote zur Entlastung der Pflegenden. Wer sich die Kosten von der Pflegekasse erstatten lassen möchte, muss unbedingt Rechnungen sammeln und anschließend einreichen.
Achtung:
In der Corona-Zeit können pflegebedürftige Menschen, z.B. mit Pflegegrad 1, aktuell den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro verlängert bis zum 30. September 2020 nutzen und Hilfe beanspruchen. Dazu gehören auch Unterstützungen im Alltag, wie eine Einkaufshilfe oder haushaltsnahe Dienstleistungen, die nun leichter in Anspruch genommen werden können.
Ansprechpartner finden
Vor der Pflege eines Angehörigen sollte man sich fragen, ob man dieser Belastung stand halten kann und wo die eigenen Grenzen liegen. In vielen Bundesländern haben die Kommunen und Pflegekassen spezielle Pflegestützpunkt eingerichtet. Die Datenbank vom Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQB) liefert eine spezielle Übersicht über Anlaufstellen und Adressen aller Pflegestützpunkte in Ihrer Nähe.
"Dort können Angehörige Hilfestellung und Beratung zu den örtlichen Hilfeangeboten finden", erklärt Verena Querling, Rechtsanwältin und Referentin für Pflegerecht von der Verbraucherzentrale NRW.
Die Pflege einer anderen Person ist nicht immer leicht. Um sich mit anderen Pflegenden auszutauschen gibt es Angehörigenkreise und Selbsthilfegruppen, die einen Ort für Gespräche und gegenseitigen Austausch bieten. Der Kontakt zu Selbsthilfegruppen ist eine gute Möglichkeit, um offen über die eigene Situation zu sprechen und auf Verständnis zu stoßen. Den direkten Kontakt zu Gruppen in Ihrer Nähe finden Sie zum Beispiel auf der Seite von der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS).
Das eigene Leben nicht verlieren
Auch wenn die Pflege eines Angehörigen meist die einfachere Lösung zu sein scheint, sind die Aufgaben längerfristig nicht zu unterschätzen. Eins sollte nicht vernachlässigt werden: Denken Sie auch an sich selbst! Nehmen Sie sich genügend Auszeiten und laden Sie Ihren Akku wieder auf.
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Pflegen Sie Ihre privaten und sozialen Kontakte: Treffen Sie Freunde, gehen Sie ins Kino oder nehmen sich einen Abend in der Woche fest frei.
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Nehmen Sie sich Zeit für Familie und Kinder.
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Schaffen Sie Zeit für Hobbys und eigene Interessen um auf andere Gedanken zu kommen.
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Körperliche Belastung braucht einen Ausgleich: Sport wie Schwimmen oder Wandern kann Ihnen einen klaren Kopf verleihen.
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Beantragen Sie auch als pflegender Angehöriger eine Reha oder machen Sie regelmäßig Urlaub um fit und gesund zu bleiben.
Pflegezeit und Familienpflegezeit
Pflegezeit
Beachten Sie ebenso die Pflegezeit für Beschäftigte. Pflegen Sie als Arbeitnehmer einen Angehörigen? Unter bestimmten Voraussetzungen haben Sie die Möglichkeit, für die Dauer von maximal sechs Monaten, einen Anspruch auf Pflegezeit zu beantragen. In dieser Zeit bezieht der Arbeitnehmer kein Gehalt. Seit Anfang 2015 können Arbeitnehmer diesen Verlust jedoch mit einem zinslosen Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ausgleichen.
Familienpflegezeit
Bei der Familienpflegezeit haben Sie, die einen Angehörigen pflegen, die Möglichkeit Ihre wöchentliche Arbeitszeit für die maximale Dauer von zwei Jahren auf bis zu 15 Stunden pro Woche zu reduzieren. Inwiefern Ihr Arbeitgeber Sie bei diesen Möglichkeiten unterstützt, sollten Sie individuell im Einzelfall absprechen und anfragen.
Unser Fazit
Pflege und Betreuung im häuslichen Umfeld lastet vermehrt auf den Schultern von Angehörigen. Entsprechende Angebote zur Entlastung finden Familien in Gesprächsgruppen, aber auch in freizeitlichen Aktivitäten und Hobbys. Finanzielle Unterstützung bietet Familien und Angehörigen, neben dem neuen Angehörigen-Entlastungsgesetz, auch der angepasste Entlastungsbetrag, durch den Einkaufshilfen oder Alltagshelfer Abhilfe schaffen können.