Der Großteil der Pflegebedürftigen in Deutschland wird in der häuslichen Umgebung durch Angehörige versorgt. Von den aktuell etwa 4,8 Millionen pflegenden Angehörigen sind mehr als die Hälfte berufstätig. Viele erleben die Balance zwischen Familie, Beruf und Pflege als zunehmende physische und psychische Belastung. Lesen Sie heute im zweiten Teil unserer Serie, wie Sie sich mithilfe der (Familien-)pflegezeit eine Auszeit vom Berufsalltag nehmen- und sich so auf die Pflege Ihrer Angehörigen konzentrieren können.
Freistellung von der Arbeit durch Pflegezeit & Familienpflegezeit
Berufstätige, die einen nahen Familienangehörigen zu Hause pflegen, können sich unter Umständen für eine bestimmte Zeit von der Arbeit befreien lassen, um sich mehr auf die Pflege und Betreuung ihres Angehörigen konzentrieren zu können. Voraussetzung ist in der Regel, dass die Betreuung in der häuslichen Umgebung stattfindet und der Pflegebedürftige mindestens Pflegegrad 1 hat.
Dank Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz können sich pflegende Angehörige somit bis zu sechs bzw. 24 Monate von der Arbeit freistellen lassen. Wir erklären, was genau es mit diesen Gesetzen auf sich hat und wer (Familien-)pflegezeit in Anspruch nehmen kann.Hinweis: Für die Versorgung minderjähriger pflegebedürftiger Angehöriger besteht der Anspruch auf Freistellung auch dann, wenn die Betreuung außerhalb der häuslichen Umgebung – wie etwa im Krankenhaus oder Hospiz – stattfindet.
Pflegezeitgesetz
Seit dem 01. Januar 2015 haben Beschäftigte im Rahmen des Pflegezeitgesetzes (PflegeZG) die Möglichkeit, sich bis zu sechs Monate teilweise oder vollständig von der Arbeit befreien zu lassen, um die Pflege und Versorgung eines nahestehenden Angehörigen sicherzustellen. Der Anspruch gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern (dazu zählen Vollzeit- und Teilzeitkräfte sowie Mini- und Midi-Jobber) beschäftigt sind.
Die Freistellung im Rahmen der Pflegezeit muss dem Arbeitgeber spätestens zehn Tage vor dem geplanten Beginn in mündlicher und schriftlicher Form mitgeteilt werden.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Bei einer unerwartet eintretenden Pflegesituation besteht darüber hinaus die Möglichkeit einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Tagen, um eine bedarfsgerechte Hilfe für den Angehörigen organisieren bzw. die Versorgung sicherstellen zu können. Der Arbeitgeber muss auch hier unverzüglich über die Verhinderung und deren voraussichtliche Dauer informiert werden. Zusätzlich muss auf Verlangen des Arbeitgebers eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen vorgelegt werden. Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung können alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unabhängig von der Mitarbeiterzahl in Anspruch nehmen.Während dieser zehn Tage können pflegende Angehörige das sog. Pflegeunterstützungsgeld in Höhe von bis zu 90 Prozent des Nettolohns als Lohnersatzleistung in Anspruch nehmen. Hierfür muss ein Antrag bei der Pflegekasse oder der privaten Versicherung des pflegebedürftigen Angehörigen gestellt werden.
Familienpflegezeitgesetz
Im Rahmen des Familienpflegezeitgesetzes (FPfZG) können sich Arbeitnehmer bis zu 24 Monate von der Arbeit freistellen lassen, wenn sie einen nahen Angehörigen in der häuslichen Umgebung pflegen möchten. Im Gegensatz zur Pflegezeit ist die Freistellung hier jedoch nur teilweise möglich, d.h. die wöchentliche Arbeitszeit darf nur auf mindestens 15 Stunden reduziert werden. Der Anspruch gilt für Arbeitnehmer in einem Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern.
Die Freistellung im Rahmen der Familienpflegezeit muss dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor dem geplanten Beginn der Teilzeitarbeit angemeldet werden.
Kombination von Pflegezeit & Familienpflegezeit
Pflegende Angehörige können Pflegezeit und Familienpflegezeit auch miteinander kombinieren bzw. nacheinander in Anspruch nehmen, jedoch darf die Gesamtdauer der Freistellung nicht mehr als 24 Monate betragen.
Hinweis:
Um Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit in Anspruch nehmen zu können, müssen Sie die Pflegebedürftigkeit Ihres Angehörigen durch die Vorlage einer Bescheinigung seitens Ihrer Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nachweisen können.
Sonderfall: Sterbebegleitung eines Angehörigen
Wenn Sie einen nahestehenden Angehörigen auf seinem letzten Weg begleiten möchten, können Sie sich unter Umständen bis zu 3 Monate teilweise oder vollständig freistellen lassen. In diesem Fall ist kein Pflegegrad erforderlich und die Versorgung muss nicht in der häuslichen Umgebung stattfinden, d.h. der Anspruch auf Freistellung gilt auch dann, wenn der nahe Angehörige in einem Hospiz versorgt wird. Auch hier muss die Pflegebedürftigkeit bzw. Erkrankung des Angehörigen durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden.
Zinsloses staatliches Darlehen
Bei Inanspruchnahme von Pflegezeit oder Familienpflegezeit haben Beschäftigte keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Damit pflegende Angehörige weiterhin finanziell abgesichert sind, bietet der Staat das zinslose Darlehen. Dieses kann beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt werden.
Das zinslose Darlehen wird auf monatlicher Basis ausgezahlt und deckt grundsätzlich 50 Prozent des Nettogehalts der Beschäftigten ab. Auf Antrag kann auch ein geringerer Darlehensbetrag festgelegt werden, jedoch muss dieser mindestens 50 Euro betragen.
Nach Beendigung der Pflegezeit müssen die Beträge in der Regel in individuell vereinbarten Raten zurückgezahlt werden. In besonderen Fällen kann das BAFzA jedoch auch auf die Rückzahlung verzichten.
Übrigens: Während der Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit stehen Beschäftigte grundsätzlich unter einem gesetzlichen Kündigungsschutz und bleiben auf Antrag über die Pflegekasse ihres pflegebedürftigen Angehörigen sozialversichert.
Im nächsten Beitrag dieser Serie erfahren Sie, wo Sie passende Unterstützung für eine häusliche Betreuung Ihrer Angehörigen finden können.
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