Wenn die geliebte Oma plötzlich pflegebedürftig wird, steht die Welt der ganzen Familie erst einmal Kopf. Wie geht es jetzt weiter? Sicher schwirren Ihnen als Angehörigen viele Fragen im Kopf herum: Kann Oma zu Hause gepflegt werden oder muss sie stationär versorgt werden? Wer übernimmt die Pflege? Welche Unterstützung kann ich nutzen? All das sind essentielle Fragen, mit denen Angehörige im plötzlichen Pflegefall eines Familienmitglieds konfrontiert werden.
Sie glauben, hier ist guter Rat teuer? Nein, ganz im Gegenteil, denn als Angehörige von Pflegebedürftigen haben Sie einen gesetzlichen Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung! Hier bekommen Pflegebedürftige und deren Angehörige umfassende Antworten auf all ihre Fragen zur entstandenen Pflegesituation und können die nächsten Schritte planen.
Dank des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes hat seit dem 01. Januar 2009 jeder Pflegebedürftige einen Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung von der Pflegekasse.
Welche Voraussetzungen dafür genau gelten, wie eine Pflegeberatung abläuft und wo Sie passende Anlaufstellen finden, erfahren Sie in diesem Beitrag. Lesen Sie jetzt weiter!
Was ist eine Pflegeberatung und wann habe ich Anspruch darauf?
Die Pflegeberatung ist eine Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung. Sie ist in § 7b SGB XI festgelegt.
Grundsätzlich haben alle gesetzlich und privat Versicherten, die pflegebedürftig sind und Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen, Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung.
Der Anspruch beginnt sogar noch früher, nämlich schon sobald Sie einen Antrag auf Pflegeleistungen gestellt haben! Sie müssen also noch gar keine Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch genommen haben. Der Antrag reicht aus, um einen entsprechenden Anspruch zu erwirken.
Die Pflegeversicherung ist dann verpflichtet, Ihnen einen kostenlosen Beratungstermin anzubieten, der innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung durchgeführt werden muss. Sie müssen also keinen separaten Antrag auf eine Pflegeberatung stellen.
Alternativ kann Ihnen die Pflegekasse auch einen sogenannten Beratungsgutschein anbieten – hier können Sie ebenfalls innerhalb einer Frist von zwei Wochen unabhängige Beratungsstellen kontaktieren. Auch der Beratungsgutschein ist für Sie kostenlos.
Suchst Du als pflegende/r Angehörige/r oder Betroffene/r Unterstützung? Wende Dich vertrauensvoll an das Team von pflegiX
Wie läuft eine Pflegeberatung ab?
Eine Pflegeberatung dient dazu, dass Sie all Ihre Fragen zum eingetretenen Pflegebedarf Ihres Angehörigen stellen können und diese durch fachkundiges Personal beantwortet werden. Außerdem soll eine Pflegeberatung dazu dienen, den individuellen Hilfebedarf zu ermitteln, über entsprechende Unterstützungsangebote zu informieren und die weiteren Schritte zu planen.
Die Inhalte und Durchführung einer Pflegeberatung sind einheitlich in den Richtlinien des GKV-Spitzenverbands vorgegeben. An diese müssen sich alle Pflegeberaterinnen und Pflegeberater halten.
Eine Pflegeberatung läuft üblicherweise in sieben Schritten ab:
1. Ermittlung des Hilfe- und Unterstützungsbedarfs
Zu Beginn des Beratungsgesprächs soll es darum gehen, den individuellen Unterstützungsbedarf der pflegebedürftigen Person zu ermitteln, um auf dieser Basis gemeinsam die Ziele und Maßnahmen der Pflegeberatung zu erörtern. Wichtige Aspekte, die es hier zu besprechen gilt, sind:
- Gesundheitszustand des Pflegebedürftigen (z.B. Liegt eine Demenz vor?)
- Beeinträchtigungen bei der täglichen Versorgung (z.B. Wird Hilfe beim Anziehen benötigt?)
- Wohn- und Lebensumstände (z.B. Ist die Wohnung barrierefrei?)
- Unterstützungsbedarf im Bereich Mobilität (z.B. Gibt es Einschränkungen in der Fortbewegung?)
- Situation der Angehörigen (z.B. Wie gelingt die Pflege bisher?)
2. Beratung
Sobald der Hilfe- und Unterstützungsbedarf der pflegebedürftigen Person ermittelt wurde, erfolgt im zweiten Schritt die eigentliche Beratung. Hier erhalten Sie von Ihrem Pflegeberater wichtige Infos zu den verschiedenen Möglichkeiten, wie Sie Hilfe in Anspruch nehmen können, wie zum Beispiel
- Nutzung von Pflegesachleistungen, Entlastungsbetrag, Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege, etc.
- Möglichkeiten der mobilen und stationären Rehabilitation
- Zugang und Nutzung von Pflegehilfsmitteln
- Inanspruchnahme von Gesundheits- und Pflegekursen für Angehörige
- Möglichkeiten für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
3. Erstellung eines individuellen Versorgungsplans
Im dritten Schritt der Pflegeberatung erstellt Ihr Pflegeberater gemeinsam mit Ihnen einen individuellen Versorgungsplan, der elektronisch erstellt- und Ihnen nach dem Gespräch ausgehändigt wird. Folgende Inhalte werden hier festgehalten:
- Allgemeine Angaben zur pflegebedürftigen Person und zum Pflegeberater
- Konkreter Hilfe- und Unterstützungsbedarf (Art und Umfang)
- Konkrete Maßnahmen zur Deckung des Hilfebedarfs
- Ziele der festgelegten Maßnahmen
- Festlegung von Verantwortlichkeiten
- auf Wunsch: Vereinbarung von Folgeterminen
4. Hinwirken auf die Durchführung der Maßnahmen
Nachdem der individuelle Versorgungsplan erstellt und ausgehändigt wurde, wirkt Ihr Pflegeberater anschließend darauf hin, dass die festgelegten Maßnahmen durchgeführt werden. Dazu gehört zum Beispiel folgendes:
- Kontaktaufnahme und Vermittlung von regionalen Anbietern, Trägern und Beratungsstellen (z.B. Pflegedienste, Essensdienste, Selbsthilfegruppen)
- bei Einschränkung der Mobilität: Organisation von Begleitungen (z.B. zu Ärzten)
- Übermittlung der Leistungsanträge an die zuständige Pflege- oder Krankenkasse
- auf Wunsch: Einbindung von Ärzten, Pflegeeinrichtungen, Beratungsstellen
5. Sicherstellen der Durchführung & ggf. Anpassung
Nachdem der Pflegeberater im vorherigen Schritt auf die Durchführung der festgelegten Maßnahmen hingewirkt hat, überprüft er nun, ob diese Maßnahmen auch wirklich durchgeführt werden. Zum Beispiel, ob der engagierte Pflegedienst auch wirklich erscheint oder der Pflegebedürftige die Angebote überhaupt wahrnimmt.
Wenn sich der Bedarf zum Beispiel im Laufe der Maßnahmen verändert, kann der Pflegeberater den Versorgungsplan gemeinsam mit Ihnen anpassen und im Zuge dessen auf weitere oder alternative Maßnahmen hinwirken.
6. Informieren über Leistungen zur Entlastung der Pflegeperson(en)
Zu einer Pflegeberatung zählt auch, dass der Pflegeberater Sie über diverse Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger informiert und Ihnen ggf. bereits entsprechende Kontakte vermittelt. Dazu zählen unter anderem
- flegekurse für Angehörige
- Freistellungsmöglichkeiten (Pflegezeit und Familienpflegezeit)
- Pflegeunterstützungsgeld
- Entlastungsbetrag
- Pflegesachleistungen und Kombinationsleistungen
- Angebote der Kurzzeitpflege sowie Tages- und Nachtpflege
- etc.
7. Ende der Pflegeberatung & ggf. Wiederaufnahme
Die Pflegeberatung ist beendet, wenn entweder alle festgelegten Ziele erreicht worden sind oder aber keine Verbesserung zu erwarten ist. Außerdem kann der Pflegebedürftige sie beenden, wenn er keine weitere Beratung wünscht.
Wenn sich aber nach Ende der Pflegeberatung erneut Fragen ergeben oder sich der Bedarf ändert, kann die Beratung erneut aufgenommen werden.
Suchst Du als pflegende/r Angehörige/r oder Betroffene/r Unterstützung? Wende Dich vertrauensvoll an das Team von pflegiX
Wer darf eine Pflegeberatung durchführen?
Eine Pflegeberatung darf ausschließlich von qualifizierten Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern mit einer entsprechenden personalen und fachlichen Kompetenz durchgeführt werden.
Besonders als Pflegeberater eignen sich examinierte Alten- und Krankenpfleger, Sozialversicherungsfachangestellte sowie Sozialarbeiter. Wer als Pflegeberaterin oder Pflegeberater tätig werden möchte, muss neben der seiner abgeschlossenen Berufsausbildung auch eine entsprechende Weiterbildung zur Qualifizierung für eine Beratungstätigkeit und ein Pflegepraktikum nachweisen.
Wo finde ich passende Pflegeberater?
Natürlich ist die naheliegende Anlaufstelle für eine Pflegeberatung Ihre zuständige Pflege- bzw. Krankenkasse. Mit dieser sollten Sie als erstes Kontakt aufnehmen, sobald Sie in der Familie einen Pflegebedarf feststellen. Rufen Sie daher am besten für erste Informationen dort an und fragen Sie nach Ihrem persönlichen Ansprechpartner. Darüber hinaus gibt es noch einige andere Beratungsstellen, die Sie in Anspruch nehmen können.
Weitere mögliche Anlaufstellen, die Sie nutzen können, sind
- anerkannte ambulante Pflegedienste
- vom Landesverband der Pflegekasse anerkannte, neutrale Beratungsstellen
- Pflegeberater der Pflegekasse
- Pflegefachkräfte im Auftrag der Pflegekasse
- bundesweite Pflegestützpunkte
- örtliche Hilfsangebote
- Pflegetelefon des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit
Aber Achtung: Nicht alle Pflegeberatungsstellen sind auch kostenlos! Informieren Sie sich daher im Vorhinein über mögliche entstehende Kosten, zum Beispiel im Fall von privaten Beratungsangeboten oder bei Beratungsstellen im Internet.
Ist die Pflegeberatung verpflichtend?
Jein. Das kommt ganz darauf an, welche Leistungen Sie beziehen. Wenn Sie NUR Pflegegeld bekommen und darüber hinaus KEINE Pflegesachleistungen beziehen, müssen Sie abhängig vom Pflegegrad Ihres Angehörigen entweder halbjährlich (bei Pflegegrad 2 und 3) oder sogar vierteljährlich (bei Pflegegrad 4 und 5) einen sogenannten Beratungseinsatz nach § 37 Abs. 3 SGB XI in Anspruch nehmen.
Der Beratungsbesuch in der eigenen Häuslichkeit dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege sowie der regelmäßigen praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden.
Bundesministerium für Gesundheit: Beratung in der eigenen Häuslichkeit 1
Keine Sorge: Der Beratungseinsatz ist für Sie kostenlos. Die gesamten Kosten dafür trägt Ihre zuständige Pflegekasse.
Ihr pflegebedürftiger Angehörige hat hingegen Pflegegrad 1 oder Sie beziehen neben dem Pflegegeld auch Pflegesachleistungen? Dann können Sie selbst entscheiden, ob Sie eine Pflegeberatung nutzen möchten. Diese ist dann freiwillig.
Muss ich etwas Besonderes bei der Pflegeberatung beachten?
Natürlich können Sie erst einmal davon ausgehen, dass Sie von Ihrem Pflegeberater kompetent und seriös beraten werden. Dennoch gibt es ein paar Faktoren, auf die Sie achten sollten und die Sie ggf. im Gespräch erfragen sollten:
- Ihr Pflegeberater muss gemeinsam mit Ihnen einen Versorgungsplan erstellen und Ihnen aushändigen
- Sie sollten auf Wunsch auch telefonisch Auskünfte und Beratung erhalten
- Sie sollten über etwaige Kosten aufgeklärt werden (in der Regel ist die Pflegeberatung jedoch kostenlos)
Außerdem sollten Sie im Vorhinein schon einmal bestimmte Unterlagen heraussuchen und bereithalten:
- Die Krankenunterlagen Ihres pflegebedürftigen Angehörigen
- falls vorhanden: Pflegetagebuch
- falls vorhanden: Vorsorgevollmacht
Suchst Du als pflegende/r Angehörige/r oder Betroffene/r Unterstützung? Wende Dich vertrauensvoll an das Team von pflegiX
Sonderfall: Palliativberatung
Seit dem 01. Januar 2016 haben gesetzlich Krankenversicherte dank des Hospiz- und Palliativ-Gesetzes einen Anspruch auf eine individuelle Beratung zu Leistungen der Palliativversorgung. Wenn Ihr Angehöriger an einer fortgeschrittenen Erkrankung leidet oder sich in der letzten Lebensphase befindet, erhalten Sie von der Krankenkasse umfassende Infos zu Themen wie Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht. Auch diese Beratung ist für Sie als Versicherte kostenlos.
Fazit: Pflegende Angehörige können hilfreiche Angebote der kostenlosen Pflegeberatung nutzen
Natürlich können Sie sich nicht immer selbst mit allen Themen, Gesetzen und Regeln der Pflege auskennen. Dafür gibt es die sogenannte Pflegeberatung.
Seit dem 01.01.2009 haben alle gesetzlich und privat Versicherten und deren Angehörige einen gesetzlichen Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung nach § 7b SGB XI. Einen Sonderfall stellt § 37 Absatz 3 SGB XI dar – er bezeichnet einen verpflichtenden Beratungseinsatz, wenn Sie ausschließlich Pflegegeld beziehen und Ihr Angehöriger einen der Pflegegrade 2 bis 5 hat.
Der Ablauf einer Pflegeberatung ist in den Richtlinien des GKV-Spitzenverbands vorgegeben – alle Pflegeberaterinnen und Pflegeberater müssen sich an diese Vorgaben halten. Die genauen Inhalte und Abläufe der Pflegeberatung haben wir oben beschrieben.
Wichtig ist, dass eine Pflegeberatung nur von qualifizierten Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern durchgeführt werden darf – dazu zählen zum Beispiel examinierte Pflegefachkräfte oder Sozialversicherungsfachangestellte.
Es gibt verschiedene Anlaufstellen für eine Pflegeberatung. Neben der Kranken- bzw. Pflegekasse können Sie sich auch an ambulante Pflegedienste oder bundesweite Pflegestützpunkte wenden oder auch örtliche Hilfsangebote nutzen.
Einen Sonderfall stellt die sogenannte Palliativberatung dar. Seit dem 01.01.2016 haben alle gesetzlich Versicherten Anspruch auf eine umfassende Beratung im Falle einer fortschreitenden oder schweren Krankheit Ihres Familienmitglieds. Auch diese Form der Beratung ist für Sie kostenlos.
Geschrieben am 28.01.2022 von Saskia Beck
Quellen:
- 1Bundesministerium für Gesundheit: Beratung im Pflegefall
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/online-ratgeber-pflege/beratung-im-pflegefall.html
- GKV Spitzenverband: Pflegeberatung nach § 7a SGB XI
https://www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/beratung_und_betreuung/pflegeberatung/pflegeberatung.jsp
- GKV Spitzenverband: Pflegeberatungs-Richtlinien
https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/beratung_und_betreuung/pflegeberatung/20211220__Pflegeberatungs-Richtlinien.pdf
- Verbraucherzentrale: Hilfe für pflegende Angehörige
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/alles-fuer-pflegende-angehoerige/hilfe-fuer-pflegende-angehoerige-13922
- Pflege.de: Pflegeberatung
https://www.pflege.de/pflegende-angehoerige/pflegewissen/pflegeberatung/
- Pflege durch Angehörige: Nutzen Sie die kostenlose Pflegeberatung für pflegende Angehörige?
https://www.pflege-durch-angehoerige.de/nutzen-sie-die-kostenlose-pflegeberatung-fuer-pflegende-angehoerige/